Einstieg in Asien – die Indien-Option

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Viele Unternehmen in China halten derzeit Ausschau nach neuen Möglichkeiten in Asien. Das BIP-Wachstum Chinas liegt vermutlich bei etwa drei Prozent landesweit, in einigen Provinzen sicherlich noch geringer oder sogar im negativen Bereich. Jedoch ist die Wachstumsdynamik in Asien weiterhin eher regionaler statt nationaler Natur. Antizipation von Wachstum und die Suche nach den für Sie besten Optionen sind Unterfangen, die Erfahrung, Verständnis und Erforschung vor Ort erfordern. Nirgendwo trifft das mehr zu als in Indien.

In den letzten zwei Jahren haben Indiens BIP-Wachstumsraten Chinas Werte übertroffen und werden voraussichtlich für unbestimmte Zeit so bleiben. Der Hauptgrund dafür ist hinsichtlich der Arbeitskräfte eine demografische Dividende, die Indien wie einst China erleben wird. Einfach ausgedrückt, verfügt Indien über 450 Millionen Arbeitskräfte mit einem Durchschnittalter von 23. Die Bevölkerung wird kontinuierlich zunehmen, da Indien keine Ein-Kind-Politik verfolgt, wie es einst China tat. Dies äußert sich in einer kostengünstigen und dennoch jungen und fleißigen Arbeiterschaft, wie sie sonst weltweit nirgends zu finden ist.

india 18mar

 

Im Vergleich dazu hat China etwas weniger als 900 Millionen Arbeitskräfte – doppelt so viel wie Indien. Jedoch besteht die „China-Falle“ darin, dass diese Arbeiter mit einem Durchschnittalter von 37 Jahren deutlich älter sind und sie wesentlich teurer macht – in den letzten sechs Jahren hat China die Mindestlöhne jedes Jahr um durchschnittlich 18 Prozent erhöht. Zurzeit verliert China zudem eine Menge von Arbeitnehmern, die älter werden und in Rente gehen.

Darüber hinaus sind die Gesamtbeschäftigungskosten in China viel höher als in Indien. Die obligatorischen Sozialversicherungsbeiträge liegen durchschnittlich bei 35 bis 40 Prozent des Gehalts, verglichen mit 5 Prozent in Indien. Das alles führt dazu, dass die gesamtdurchschnittlichen Arbeitskosten in Indien nur 20 Prozent des Vergleichswertes in China entsprechen. So verwundert es nicht, dass sich dies bei großen Belegschaften auf die Ortswahl auswirkt.

Das obige Schaubild ist zwar beeindruckend aber etwas irreführend, wenn man es für bare Münze nimmt. Auch wenn ein Großteil des Landes mit Wachstumsraten von über 20 Prozent vorankommt, sollte nicht vergessen werden, dass für einige indische Bundesstaaten ein sehr niedriges wirtschaftliches Niveau der Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist. In der Tat hat der Bundesstaat Maharashtra wie in der Graphik dargestellt das niedrigste Wachstum (2015: 7,4 Prozent), trägt aber ganze 14,42 Prozent zum BIP von 1.9 Billionen USD bei.

Als Bundesstaat der größten Hafenstadt Mumbai ist Maharashtra bei weitem der reichste; mit Mumbai als wohlhabendster Stadt. Diese geringe Wachstumsrate deutet wie im Falle von Maharashtra auf eine bereits entwickelte Wirtschaft hin. Weitere indische Bundesstaaten mit diesen Eigenschaften sind:

 

Bundesstaat

BIP (USD)

% des gesamten BIP in Indien

Bevölkerung (Millionen)

Hauptstadt

Maharashtra

224 Mrd.

14.42

112

Mumbai

Uttar Pradesh

128 Mrd.

8.24

201

Lucknow

Andhra Pradesh

125 Mrd.

6.6

85

Hyderabad

Tamil Nadu

119 Mrd.

6.2

72

Chennai

Gujarat

105 Mrd.

5.5

61

Gandhinagar

West Bengel

97 Mrd.

5.1

89

Kolkata

 

In Bezug auf das Pro-Kopf-Einkommen ist die Kluft zwischen Reich und Arm in Indien immer noch sehr groß. Dies äußert sich in indischen Städten und Bundesstaaten, wo Bettler mit Millionären eng beieinander wohnen. Diese wirtschaftliche Kluft ist im traditionellen hinduistischen und buddhistischen Glauben an die Reinkarnation und das Kastensystem verwurzelt, obwohl die indische Regierung vielmals versuchte, dies zu verhindern und Vermögen gleichmäßiger zu verteilen. Die indische Gesellschaft ist zurzeit noch übelgesinnt, eine Veränderung diesbezüglich zu akzeptieren.

Während Mumbai zwar die reichste Stadt ist, nimmt es was das Pro-Kopf-BIP angeht dennoch einen niedrigen Rang ein, was sich durch den gewollten Zuzug der vielen Millionen schlechtbezahlten Wanderarbeiter, vor allem aus West Bengal erklären lässt. Das drückt Mumbais Pro-Kopf-BIP auf knapp über USD 2.000 herunter, auch wenn dies nicht unbedingt den allgemeinen Wohlstand des durchschnittlichen in der Stadt geborenen, ausgebildeten und arbeitenden  Mittelstandsbürger, widerspiegelt.

Die Bundesstaaten mit dem höchsten BIP-Pro-Kopf sind:

 

Bundesstaat

BIP-Pro-Kopf (USD)

Goa

3.371

Delhi

3.190

Sikkim

3.100

Chandigarth

2.995

Puducherry

2.934

 

Diese Zahlen zeigen die Komplexität des indischen Marktes. Städte und sogar Bundesstaaten können relativ wohlhabend sein, aber das durchschnittliche BIP-Pro-Kopf lässt das nicht erahnen. Das unterstreicht die Bedeutung von Marktforschung, um sich tiefer in den indischen Markt einzuarbeiten und genau zu verstehen, wo die Chancen liegen. Nichtsdestotrotz lohnt es sich, daran zu erinnern, dass Indien im Moment die neuntgrößte Wirtschaftsnation der Welt ist und gemessen an der Kaufkraftparität auf dem dritten Platz nach China und den USA liegt. Es gibt beträchtlichen Reichtum in Indien.

Wenn es um den Verkauf auf anderen Märkten geht, so hat Indien einen ähnlichen Vorteil wie China, nämlich ein Freihandelsabkommen mit ASEAN, das als weitreichender als das von China ausgelegt werden kann. Im Einklang mit der indischen Dienstleistungswirtschaft, enthält es mehr Regelungen für indische Dienstleistungen innerhalb ASEAN als das Abkommen mit China.

Das bedeutet, dass es eine gute Strategie ist, die Englisch-sprechende und gut gebildete Mittelschicht in Indien im Back-Office unterzubringen, sowie auf Forschung und Entwicklung  und andere Dienstleistungsbranchen zu setzen, die sich an den asiatischen Verbraucher richten. Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass indische Investoren mit einer Tochtergesellschaft in ASEAN auch vom Freihandelsabkommen zwischen ASEAN und China profitieren können, indem sie ihre Waren bei gesenkten Zolltarifen auf dem chinesischen Markt verkaufen. Angesichts des niedrigeren Lohnniveaus in Indien und anderen ASEAN-Ländern wie Vietnam ist es so einfach wie nie zuvor, Waren indischen Ursprungs auf den Markt in China und ASEAN zu bringen.

 

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Die chinesische Regierung hat dies unlängst mitbekommen und ihre rhetorischen Ton gegen Indien auch in Bezug auf die umstrittenen Grenzlinien abgeschwächt. Die Chinesen haben angeboten, Milliarden in die Verbesserung der indischen Infrastruktur zu investieren, um sicherzustellen, dass zukünftige Billigprodukte, ,,made in Indien“, den chinesischen Inlandsmarkt schnell und einfach erreichen. So steht eine Höherstufung der Handelsbeziehungen im Raum, welche was sich in Form eines Freihandelsabkommens zwischen den beiden bevölkerungsstärksten Ländern der Welt materialisieren könnte. Erste Gespräche haben bereits begonnen.

 

Der Kern der Sache ist das chinesische Bewusstsein, dass Indiens angehende junge Arbeiter zur Befriedigung des eigenen Bedarfs benötigt werden. Innerhalb der neuaufkommenden Dynamik Asiens wird der Handel zwischen China und Indien im nächsten Jahrzehnt sicherlich mit am brisantesten. Das Verständnis dieser Dynamik und die massenhafte Verwendung der indischen Arbeitskräfte werden sich in den kommenden Jahrzehnten auf die chinesische Wertschöpfungskette auswirken.

Indien durchläuft einen Reformprozess und hat seit mehr als 20 Jahren zum ersten Mal eine demokratisch gewählte, unternehmens- und investitionsorientierte Regierung mit einer absoluten Mehrheit im Parlament. Das ermöglicht Premierminister Modi, der zuvor als Gouverneur des Bundesstaats Gujarat ein Jahrzehnt-lang für Wachstumsraten von 10 Prozent sorgte, endlich in der Lage ist, notwendige Reformen im indischen System einzuleiten. Dazu gehört die Überarbeitung des Steuersystems und eine bessere Konzentration auf regionale Freihandelsabkommen.

Bisher scheint Indien bei der Umsetzung dieser Ziele hinterherzuhinken, zumal es neben seinem Freihandelsabkommen mit ASEAN nur eine begrenzte Zahl von Freihandelsabkommen vorweisen kann. Dies wird sich vermutlich ändern. Die Regierung äußerte ihren Wunsch nach beschleunigten Verhandlungen mit anderen Ländern einschließlich der Europäischen Union, Kanada und Peru.

 

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Indien ist auch an Diskussionen über eine umfassende regionale wirtschaftliche Partnerschaft (RCEP) beteiligt, welche China, die zehn ASEAN-Mitgliedsstaaten, Australien, Japan, Korea und Neuseeland umfasst. Obwohl es in allen aktuellen Schlagzeilen ausschließlich um das TPP geht, wird tatsächlich auf Anfrage der APEC hin auch das Potenzial der RCEP derzeit von Peking untersucht. Ein Bericht darüber sollte formuliert und den APEC-Mitgliedern Ende bis Ende 2016 ausgehändigt werden. Im Falle eines positiven Ergebnisses sollte das RCEP-Abkommen entweder rasch abgeschlossen oder mit dem TPP zusammengefügt werden. Von beiden Szenarien kann Indien ohne schädliche Folgen nur profitieren.

Zusammenfassend gilt Indien als ein potenziell attraktiver Markt für ausländische Investoren. Geld ist genug da  es gibt eine wohlhabende Mittelschicht als Kundenbasis von 250 Mio. und Premiummarken wie Hermes und Ferrari haben bereits ihre Außenstellen. Einige der größten indischen Privatunternehmen, solche wie Tata, Infosys und Reliance sind Unternehmen der Weltklasse.

Indien zu erfassen ist jedoch ein zeitaufwendiger Prozess, der viel Recherche erfordert. Doch winken potentielle Gewinne. Es ist alles eine Frage des Timings wenn RCEP und EU-Freihandelsabkommen durchgesetzt werden sollten, wäre es sinnvoll, sich von nun an vor Ort mit dem Land auseinanderzusetzen. Denn Indien bleibt weitgehend unbekannt und unbewiesen. Aber wenn die Reformen der indischen Regierung und die Handelsabkommen erfolgreich durchgesetzt werden, könnte Indien zur neuen Werkbank der Welt heranwachsen.

 

 

 

Bei Fragen zu Wirtschaftsthemen, Steuern, Buchhaltung und Unternehmensgründungen in Asien kontaktieren Sie bitte:

Fabian Knopf, Senior Associate, Head of German Desk, Dezan Shira & Associates Fabian.Knopf@dezshira.com

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